Freiwilligenprogramm der Deutschen Lufthansa AG (now! Cabin)
Die Coronakrise hat wohl kaum eine Branche härter getroffen als die Luftfahrt. So wundert es nicht, dass neben staatlichen Programmen wie dem Kurzarbeitergeld früher oder später auch die Verkleinerung des Personalkörpers diskutiert wird. Ein Teil hiervon ist das Freiwilligenprogramm der Deutschen Lufthansa AG (now! Cabin).
Was ist ein Freiwilligenprogramm?
Mit einem Freiwilligenprogramm wird im Kern der systematische Abschluss von Aufhebungsverträgen zu zuvor festgelegten Maßgaben und Konditionen verstanden. D.h. es kommt zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bei Freiwilligenprogrammen handelt es sich um ein Instrument im Rahmen von Restrukturierungen und Personalabbaumaßnahmen.
Warum wird das Freiwilligenprogramm der Deutschen Lufthansa AG (now! Cabin) angeboten?
Die Gründe für ein Freiwilligenprogramm sind zwar vielschichtiger Art, lassen sich aber auch auf den eigentlichen Kern reduzieren. Denn im Rahmen von Restrukturierungen kommen betriebsbedingte Kündigungen in Betracht. Nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bedarf es aber u.a. einer durchzuführenden Sozialauswahl. Mit betriebsbedingten Kündigungen werden für den Arbeitgeber aufwändige Prüfungen erforderlich. So insbesondere auch bei Auswahl der nach sozialen Kriterien zu kündigenden Arbeitnehmern. Zudem bleiben Risiken von Fehlern und letztlich der Unwirksamkeit jeder einzeln ausgesprochenen Kündigung bestehen. Weiter sind kostenintensive arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen von dem Arbeitgeber zu führen, wenn sich der gekündigte Arbeitnehmer gegen die ausgesprochene Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage wehrt. Und dass der gekündigte Arbeitnehmer innerhalb der geltenden dreiwöchigen Frist nach Zugang der Kündigung auch Kündigungsschutzklage erhebt, ist sehr hoch. Damit drohen aus Sicht des Arbeitgebers eine Vielzahl individueller Klagen mit ungewissem Ausgang und in jedem Fall hohen Kosten.
Soll ich das Angebot im Rahmen des Freiwilligenprogramms der Deutschen Lufthansa AG (now! Cabin) annehmen?
Die sich stellende Kernfrage wird sich für den einzelnen Arbeitnehmer darauf verengen, ob er das Angebot annehmen soll oder nicht. Die Beantwortung dieser Frage lässt sich selbstverständlich nicht allgemein beantworten und bedarf einer Prüfung für jeden Einzelnen. Je mehr ein Arbeitnehmer bereit ist seinen Arbeitsplatz aufzugeben, umso interessanter wird die Teilnahme an einem angebotenen Freiwilligenprogramm. Soweit so klar. Aber es sind weitere Punkte in die individuelle Abwägung einzubeziehen und zwar zwingend. Neben der Frage, welche Zahlungen im Rahmen einer Trennung geleistet werden, sind auch solche Fragen von höchster Relevanz, die sich auf die nicht sofort erkennbaren Auswirkungen auf Rente und betriebliche Altersvorsorge beziehen. Daneben kommen auch weitere Aspekte wie Vorzüge im Zusammenhang mit den ID-Reisemöglichkeiten etc. in Betracht.
Die Frage ist damit, wenig überraschend, nicht allgemein zu beantworten. Wichtig ist, dass sich jeder einzelne Arbeitnehmer rechtzeitig orientiert, um auf dieser Basis eine individuelle Entscheidung zu treffen.
Muss ich auf Fristen achten?
Es ist ganz zwingend auf Fristen zu achten. Denn einerseits gelten für das derzeitige Freiwilligenprogramm der Deutschen Lufthansa AG neben dem Beginn (01.11.2021) und dem Ende (31.03.2022) auch Fristen für diejenigen Arbeitnehmer, die sich besonders schnell entscheiden (sog. Sprinter). Denn im Rahmen des Austritts bis zum Ende des Sprinterzeitraums kommt es zu höheren Leistungen durch die Deutsche Lufthansa AG, als wenn sich der Arbeitnehmer für einen späteren Austritt entscheidet. Daher wäre es besonders ärgerlich, wenn ein „zu später“ Entschluss zu unnötigen Einbußen führen würde.
Achtung Windhundprinzip!
Aber auch neben den geltenden Fristen ist das sogenannte Windhundprinzip dringend zu beachten. Das Windhundprinzip besagt, dass nur diejenigen in den Genuss der besonderen Konditionen kommen, die sich zuerst gemeldet haben. Denn die Zahl der Personen, die im Rahmen des Freiwilligenprogramms berücksichtigt werden, ist begrenzt. Die Begrenzung ist ihrerseits wiederum unterteilt in kleinere Untergruppen wie P II (150 Mitarbeiter) und PI (500 Mitarbeiter). Anders formuliert lässt sich das Windhundprinzip auf den Grundsatz „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ reduzieren. Dies gilt selbstverständlich nur dann, wenn es mehr Bewerber als mögliche Teilnehmer des Freiwilligenprogramms gibt.
Und wo liegt nun der konkrete Vorteil des Freiwilligenprogramms für mich? Gibt es überhaupt einen Vorteil für mich?
Ob der einzelne Arbeitnehmer einen Vorteil in der Teilnahme an einem Freiwilligenprogramm sieht, hängt von seiner ganz persönlichen Perspektive ab.
Liebäugelte ein Arbeitnehmer bereits zuvor mit dem Abschied, so kann das Freiwilligenprogramm einen klaren Anreiz bieten. Vielleicht liegt hier gar die Chance zur „Versilberung“. Wer aber an seinem Beruf und dem konkreten Job aus wirtschaftlichen Gründen oder auch der persönlichen Überzeugung und Identifikation hängt, für den kommt eine Trennung auch zu guten Konditionen vielleicht gar nicht in Betracht. Dennoch sollte auch ein realistischer Blick auf eine weiterhin mögliche Beendigung, z.B durch eine betriebsbedingte Kündigung, geworfen werden. Denn sollte eine solche in näherer Zukunft erfolgen, muss der betroffene Arbeitnehmer diese arbeitsgerichtlich überprüfen lassen. Kommt das angerufene Arbeitsgericht (nach einem ggfs. langwierigen Arbeitsgerichtsprozess) zu dem Ergebnis, dass die ausgesprochene Kündigung wirksam ist, geht der Arbeitnehmer im schlimmsten Fall leer aus.
Kommt es hingegen, was häufig der Fall ist, noch zu einem Vergleich, droht der Arbeitnehmer möglicherweise ein schlechteres Ergebnis zu erzielen, als ihm früher im Rahmen des Freiwilligenprogramms zu erreichen möglich war. Hier ist neben den reinen Zahlungen auch an Leistungen wie das Outplacement-Angebot zu denken.
Fazit
Es bleibt für den Arbeitnehmer eine schwierige Entscheidung. Schwierige Entscheidungen bedürfen grundsätzlich eines Prozesses der Überlegung. Diesem steht aber der Zeitfaktor (Windhundprinzip, Sprinterfristen etc.) entgegen. Umso wichtiger ist es, den Versuch einer Versachlichung zu unternehmen und sich hier ggfs. frühzeitig beraten und betreuen zu lassen. Neben rechtlicher Beratung sind auch mögliche sozialversicherungsrechtliche und rentenversicherungsrechtliche Aspekte mit in die Erwägungen einzubeziehen.
Wer ernsthaft überlegt, an dem Freiwilligenprogramm teilzunehmen, der ist gut beraten sich der Herausforderung zu stellen und früh in den Prozess der Entscheidungsfindung einzutreten.
Einen ausführlicheren Beitrag zu dem konkreten Freiwilligenangebot (now! Cabin) gibt es in den kommenden Tagen nochmal per Link auf dieser Seite bzw. in unserem Kanzleiblog.
Bei individuellen Fragen zum dem Freiwilligenprogramm der Deutschen Lufthansa AG und anderen Problemen zum Thema Arbeitsrecht können Sie schnell und unverbindlich einen ersten telefonischen Beratungstermin unter +49 89 26 01 02 30 (München) oder +49 6221 65 74 71 (Heidelberg) oder +49 541 99 98 01 12 (Osnabrück) vereinbaren oder eine E-Mail an info@kanzlei-glockenbachviertel.de senden.
Hinweise zu weiteren Themen finden Sie auch in unserem Handbuch zum Arbeitsrecht (siehe rechts).