Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in der Causa Pechstein nunmehr sein Urteil gesprochen.

Damit scheint ein langes Kapitel deutsche Sportrechtsgeschichte nunmehr ein (vorläufiges?) Ende zu nehmen.

Claudia Pechstein, professionelle Eisschnellläuferin, hatte die Internationale Eislauf-Union (ISU) auf Schadensersatz verklagt. Die Schadensersatzklage wurde von dem BGH als unzulässig abgewiesen. Die Klage um ca. fünf Millionen Euro ging damit ins Leere. Hintergrund war eine von der ISU, als Weltverband der Eisschnellläufer, verhängte zweijährige Sperre gegen die Athletin. Die Profisportlerin führte gegen die Blutwerte eine vererbte Anomalie ins Feld. Der BGH hatte jedoch letztinstanzlich nicht über die Frage des Dopings zu entscheidenm, sondern vielmehr über das Verhältnis zwischen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Sportgerichtsbarkeit.

Wer sich das erste Mal mit dem Sportrecht auseinandersetzt, stößt schnell auf zwei essentielle Kernthesen. Einerseits gilt der pyramidenförmige Aufbau des Vereins- und Verbandswesens, andererseits sollen bei der Lösung rechtlicher Probleme mit Bezug zum Sport dessen Besonderheiten Eingang in die Entscheidungsfindung erhalten.

Pyramidialer Aufbau bedeutet, dass es in der Regel nur einen Dachverband (z. B. FIFA oder hier die ISU als Weltverband) gibt und sich unter diesem Dachverband weitere Verbände auffächern. So etwa die UEFA im Bereich des Fußballs auf europäischer Ebene. Hierunter befinden sich wiederum die nationalen Verbände und deren Verbandsmitglieder. Bezogen auf das Beispiel des deutschen Fußballs wären dies auf nationaler Ebene der DFB bzw. die DFL sowie deren zugehörige Mitglieder, nämlich die Vereine.

Der Causa „Claudia Pechstein“ hat lange Zeit für interessante Entwicklungen im Sportrecht gesorgt. Die Athletin hat sich leidentschaftlich und intensiv juristisch zur Wehr gesetzt und nicht zuletzt hierdurch für ein Stück Sportrechtsgeschichte gesorgt. Es besteht seit jeher Uneinigkeit über die Justiziabilität sportrechtlicher und sportgerichtlicher Entscheidungen.

Hintergrund ist, dass sich die Mitglieder der Verbände regelmäßig per Vereinbarung der Sportgerichtsbarkeit unterwerfen. Dies erfolgt über Schiedsgerichtsvereinbarungen der Verbandsregelungen. Diese Schiedsgerichtsvereinbarungen stehen regelmäßig nicht zur Disposition, sondern werden per Satzung mit dem Athleten zwingend vereinbart. Im Klartext: Der Sportler muss zwingend Verbandsmitglied werden. Wird er Verbandsmitglied, dann gelten die entsprechenden Satzungen inklusive der Schiedsgerichtsvereinbarung für ihn zwingend. Der Sportler verzichtet damit gezwungener Maßen auch auf das Recht, die ordentliche Gerichtsbarkeit ohne Umschweife anzurufen. Stattdessen muss der Fall bei juristischer Uneinigkeit zuerst von der Sportgerichtsbarkeit geprüft und abgeurteilt werden. Die Sportgerichtsbarkeit ist keine staatliche Institution, sie ist kein staatliches Gericht. Es handelt sich regelmäßig um Sportschiedsgerichte mit eigenen Verfahrensordnungen und Prinzipien. Die Geschichte der Sportgerichtsbarkeit ist noch relativ jung. Entsprechend gibt es viele ungeklärte (verfahrensrechtliche) Fragen. Kommt es zu einem Konflikt zwischen Sportler und Verband, so muss regelmäßig, wie vereinbart, zuerst das zuständige Sportgericht angerufen werden. Erst wenn der Rechtsweg der Sportgerichtsbarkeit erschöpft worden ist, kann der Sportler die ordentlichen, staatlichen Gerichte anrufen. Hier wird oftmals bemängelt, dass bereits die Entscheidung über die Zusammensetzung des entscheidenden Sportgerichts nicht unabhängig erfolge.

Eine Versagung des Rechtsschutzes durch ordentliche, staatliche Gerichte liegt in der Schiedsvereinbarung hingegen nicht, denn dieser Rechtsweg ist nicht per se ausgeschlossen. Er kann nach Erschöpfung des sportrechtlichen Entscheidungswegs weiter bestritten werden. Faktisch kommt er jedoch oftmals zu spät. Denn ein Kernproblem darf nicht außer Acht gelassen werden: Profisportler verdienen ihren Lebensunterhalt mit dem Sport. Es handelt sich um ihre Arbeit, ihren Beruf, ihr Erwerbsleben. Der Sport ist extrem leistungsbezogen. Der Zeitraum des Haupterwerbs ist naturgemäß ein sehr kurzer. Langwierige juristische Auseinandersetzungen können die Karriere und damit den Beruf des Sportlers erheblich gefährden, wenn nicht gar beenden. Der Sportler hat ein legitimes Interesse an einer zügigen Klärung der in Streit stehenden Umstände. Einer solchen zügigen Klärung kann die Sportgerichtsbarkeit als weiterer Instanzenzug im Einzelfall entgegenstehen.

Auf der anderen Seite kann sich die Sportgerichtsbarkeit aber gerade auch als Beschleuniger darstellen. Regelmäßig verhandeln und entscheiden die Sportschiedsgerichte zügig und zeitnah. Kommt es in diesem Zug zu einer Klärung der in Streit stehenden Angelegenheit, so hat der Athlet eine äußerst rasche Aufklärung erreicht und kann sich wieder voll auf seinen Beruf und den Sport fokussieren. Gerade in diesen Fällen zahlt es sich besonders aus, dass sich fachlich besetze Entscheidungskörper in Form der Sportgerichte mit den in Streit stehenden Fragen auseinandersetzen.

So ging es vorliegend nunmehr auch nicht mehr um die Frage, ob die Athletin Doping betrieben hat oder nicht. Vielmehr ging es im Kern um die Frage, ob die ISU Frau Pechstein Schadensersatz leisten müsse. Dieser Frage vorgelagert ist jedoch die Frage, ob das Gericht und damit hier der BGH zuständig sei. Nachdem das Landgericht München sich zunächst nicht für zuständig erklärt hatte und Frau Pechstein dies Entscheidung vor dem Oberlandesgericht München erfolgreich angreifen konnte, entschied der BGH nunmehr in der eingelegten Revision, dass die ISU als Verband Recht habe, die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht zuständig sei und der Fall nunmehr neu aufgerollt werden müsse.

Damit droht Frau Pechstein nunmehr wieder vor dem CAS als zuständigen Sportgericht zu landen, in welches die Athletin offensichtlich kein Vertrauen mehr setzt. Als Reaktion auf die Entscheidung kündigte Claudia Pechstein bereits die Gründung einer Sportlergewerkschaft an, um die Rechte der Athleten besser bündeln zu können.

Weiter ist es auch möglich, dass Frau Pechstein den Weg zum höchsten deutschen Gericht, nämlich dem Bundesverfassungsgericht wählt. Hier wäre es möglich noch eine entsprechende Verfassungsbeschwerde einzulegen. Dies hat die Athletin auch bereits auf ihrer Homepage angekündigt.

Damit dürfte neuerlich keine abschließende Entscheidung gefunden worden sein und der Langstreckenlauf andauern…

CategorySportrecht

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