Bundesverfassungsgericht zum Musiksampling im Fall Moses Pelham ./. Kraftwerkt

Neue Runde im Streit Moses Pelham vs. Kraftwerk

Umbrüche sind der Musikindustrie nicht fremd. So hieß es bereits in dem Song von „The Buggles“:

„Video killed the radio star.
In my mind and in my car, we can’t rewind we’ve gone to far“

Trotz aller Befürchtungen hat letztlich aber der Radiostar den Videostar überlebt und nicht umgekehrt.

So hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nunmehr in dem seit mehr als einem Jahrzehnt andauernden Rechtsstreit zwischen Moses Pelham und Kraftwerk der Verfassungsbeschwerde Pelhams abgeholfen. Der Bundesgerichtshof (BGH) muss den Fall damit neu entscheiden.


Hintergrund:

Pelham und Kraftwerk haben sich durch sämtliche Instanzen gestritten. Kern der Auseinandersetzung ist die Frage, ob ein kurzes Musiksample auch ohne die Zustimmung des Rechteinhabers zulässig ist. Als Musiksampling wird die Verwendung von bestehenden Tonfetzen aus urheberrechtlich geschützten Werken verstanden.

Im vorliegenden Fall hatte Pelham für einen Song der Sängerin Sabrina Setlur eine lediglich zwei Sekunden lange Sequenz aus dem Stück „Metall auf Metall“ der Band Kraftwerk genommen und die Rhythmussequenz als Loop in fortlaufender Wiederholung genutzt. Kraftwerk klagte daraufhin auf Unterlassung und Schadensersatz und bekam von dem Bundesgerichtshof (BGH) Recht. Daraufhin erhob Moses Pelham Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht um eine grundsätzliche Entscheidung herbeizuführen. Dieser Verfassungsbeschwerde schlossen sich elf weitere Beschwerdeführer, wie Bushido, Gentleman und Sarah Connor an. Moses Pelham sieht die Kunstfreiheit in Gefahr, weil das Samplen ein maßgeblicher Teil des Hip-Hops sei. Die Band Kraftwerk vertritt ihrerseits die Auffassung, dass ihr Urheberrecht verletz werde.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bzw. die zu erwartende Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird wegweisend für die künftige Schöpfung von Musikstücken sein. Die Werkschöpfung könnte zukünftig erheblich eingebremst werden. Daher ist es entscheidend, einen Ausgleich zwischen dem Anreiz neuer Werkschöpfungen einerseits und dem Urheberrechtsschutz an bestehenden Werken andererseits zu finden.


Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts:

Nunmehr hat der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung (Urt. vom 31. Mai 2016, 1 BvR 1585/13; Pressemitteilung Nr. 29/2016) entschieden, die

„Verwendung von Samples zur künstlerischen Gestaltung kann einen Eingriff in Urheber- und Leistungsrechte rechtfertigen“

Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der künstlerischen Entfaltungsfreiheit ein Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht gegenüber stünde, welcher die Verwertungsmöglichkeiten lediglich geringfügig beschränke. In diesem Fall könnten die Verwertungsinteressen des Tonträgerherstellers zugunsten der Freiheit der künstlerischen Auseinandersetzung im Einzelfall zurücktreten. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das von dem Bundesgerichtshof für die Anwendbarkeit des Rechts auf freie Benutzung (§ 24 Abs. 1 Urhebergesetz – UrhG) zusätzlich eingeführte Kriterium der fehlenden gleichwertigen Nachspielbarkeit der übernommenen Sequenz nicht geeignet sei, einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen dem Interesse an einer ungehinderten künstlerischen Fortentwicklung und den Eigentumsinteressen der Tonträgerproduzenten zu schaffen. Die fachgerichtliche Entscheidung des BGH verletze drei der insgesamt zwölf Beschwerdeführer in ihrer Freiheit der künstlerischen Betätigung, geschützt durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG).

Das Bundesverfassungsgericht entschied weiter, dass § 24 Abs. 1 UrhG mit dem Grundgesetz (Art. 14 Abs. 1 GG – Eigentum) vereinbar sei. Der Verzicht auf eine Vergütungsregelung beschränke das Verwertungsrecht der Urheber und Tonträgerhersteller nicht in unzulässiger Weise. Dies entspräche auch dem gesetzgeberischen Zweck der Ausnahmeregelung des § 24 Abs. 1 UrhG. So führt das Bundesverfassungsgericht in seiner Pressemitteilung weiter aus:

„Die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Übernahme selbst kleinster Tonsequenzen stelle einen unzulässigen Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger dar, soweit der übernommene Ausschnitt gleichwertig nachspielbar sei, trägt der Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung. Wenn der Musikschaffende, der unter Einsatz von Samples ein neues Werk schaffen will, nicht völlig auf die Einbeziehung des Sample in das neue Musikstück verzichten will, stellt ihn die enge Auslegung der freien Benutzung durch den Bundesgerichtshof vor die Alternative, sich entweder um eine Samplelizenzierung durch den Tonträgerhersteller zu bemühen oder das Sample selbst nachzuspielen. In beiden Fällen würden jedoch die künstlerische Betätigungsfreiheit und damit auch die kulturelle Fortentwicklung eingeschränkt.

Der Verweis auf die Lizenzierungsmöglichkeit bietet keinen gleichwertigen Schutz der künstlerischen Betätigungsfreiheit: Auf die Einräumung einer Lizenz zur Übernahme des Sample besteht kein Anspruch; sie kann von dem Tonträgerhersteller aufgrund seines Verfügungsrechts ohne Angabe von Gründen und ungeachtet der Bereitschaft zur Zahlung eines Entgelts für die Lizenzierung verweigert werden. Für die Übernahme kann der Tonträgerhersteller die Zahlung einer Lizenzgebühr verlangen, deren Höhe er frei festsetzen kann. Besonders schwierig gestaltet sich der Prozess der Rechteeinräumung bei Werken, die viele verschiedene Samples benutzen und diese collagenartig zusammenstellen. Die Existenz von Sampledatenbanken sowie von Dienstleistern, die Musikschaffende beim Sampleclearing unterstützen, beseitigen diese Schwierigkeiten nur teilweise und unzureichend.

Das eigene Nachspielen von Klängen stellt ebenfalls keinen gleichwertigen Ersatz dar. Der Einsatz von Samples ist eines der stilprägenden Elemente des Hip-Hop. Die erforderliche kunstspezifische Betrachtung verlangt, diese genrespezifischen Aspekte nicht unberücksichtigt zu lassen. Hinzu kommt, dass sich das eigene Nachspielen eines Sample als sehr aufwendig gestalten kann und die Beurteilung der gleichwertigen Nachspielbarkeit für die Kunstschaffenden zu erheblicher Unsicherheit führt.“

Im vorliegenden Fall läge nach dem Bundesverfassungsgericht lediglich ein geringfügiger Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht der Band Kraftwerk vor, der keine erheblichen wirtschaftlichen Nachteile befürchten ließe. Es sei keine Gefahr von Absatzrückgängen für Kraftwerk zu erkennen. Eine solche Gefahr könne sich lediglich dann als begründet darstellen, wenn das neu geschaffene Werk eine so große Nähe zu dem Tonträger mit der Originalsequenz habe, dass realistischer Weise davon ausgegangen werden könne, dass das neue Werk mit dem ursprünglichen Tonträger in Konkurrenz treten würde. Unter Berücksichtigung des künstlerischen und zeitlichen Abstandes zum Ursprungswerk, sei dies hier nicht der Fall.

Das Bundesverfassungsgericht führt zudem aus:

„Der Schutz kleiner und kleinster Teile durch ein Leistungsschutzrecht, das im Zeitablauf die Nutzung des kulturellen Bestandes weiter erschweren oder unmöglich machen könnte, ist jedenfalls von Verfassungswegen nicht geboten.“

Ausblick:

Der Streit ist damit jedoch noch nicht beendet. Der BGH muss neu entscheiden. Dabei muss das Gericht zuerst prüfen, inwieweit vorrangiges Unionsrecht das nationale Urheberrecht verdränge. Ggfs. müsste das Verfahren dem Gerichtshof der Europäischen Union gem. Art. 267 AEUV vorgelegt werden. Eine abschließende Entscheidung ist damit noch nicht gegeben und die nächste Runde erneut abzuwarten…

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