Prozessverschleppung nach Kündigungsschutzklage
Antrag auf Entscheidung nach Lage der Akten
Ist es zu einer Kündigung und in der Folge zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht gekommen, so hat das Arbeitsgericht nach § 61a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) kurzfristig Termin für die Güteverhandlung (Gütetermin) anzuberaumen. Nach § 61a ArbGG sind Bestandsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses vorrangig zu erledigen. Der Gütetermin soll innerhalb von zwei Wochen nach Klageerhebung stattfinden. Immer wieder kommt es zur Prozessverschleppung nach Kündigungsschutzklage. Hier kann ggfs. ein Antrag auf Entscheidung nach Lage der Akten helfen.
Nach § 9 ArbGG gilt der allgemeine Beschleunigungsgrundsatz im Arbeitsrecht nicht nur für Streitigkeiten um eine Kündigung.
Gegner tritt die Flucht in die Säumnis an
Im Prozess vor dem Arbeitsgericht kommt es immer wieder Situationen, in denen einen Partei versucht die sogenannte Flucht in die Säumnis anzutreten. Die Flucht in die Säumnis bezeichnet einen prozesstaktischen Schritt. Eine Flucht in die Säumnis kommt immer dann in Betracht, wenn eine Partei z.B. die Einhaltung von Fristen versäumt hat. Wenn Kläger oder Beklagter Fristen versäumen, ist es ihnen ggfs. nicht mehr möglich weiter vorzutragen. Sie sind verspätet oder präkludiert. Kläger oder Beklagter laufen damit Gefahr, dass ihr Vortrag von dem Gericht nicht mehr berücksichtigt wird. Es droht der Prozessverlust aus formalen Gründen. Die betroffene Partei versucht sich regelmäßig aus dieser Situation zu retten, indem sie die Flucht in die Säumnis antritt. Dies geschieht indem sie nicht verhandelt. Entweder erscheint die Partei überhaupt nicht in dem Gerichtstermin oder sie stellt keine Anträge. In beiden Fällen ist sie säumig. Liegen die Voraussetzungen vor, erlässt das Arbeitsgericht gegen die säumige Partei ein sogenanntes Versäumnisurteil. Gegen dieses Versäumnisurteil kann die säumige Partei sodann mit einem Einspruch vorgehen. Hier kann sie sämtlichen Vortrag, mit dem sie zuvor verspätet gewesen ist, dann doch noch wirksam vortragen. Damit hat sie das sie treffende Problem des verspäteten Vortrags oftmals gelöst.
Es droht die Prozessverschleppung nach Kündigungsschutzklage
Für die andere Partei kann dies besonders ärgerlich sein. Zum einen verzögert es den Rechtsstreit und steht dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz in Widerspruch. Zum anderen kann die Partei den Rechtsstreit (noch) nicht für sich entscheiden.
Kann man die Flucht in die Säumnis verhindern?
Fraglich ist, ob eine Partei ein solches prozesstaktisches Manöver hinnehmen muss. Grundsätzlich ist es prozesstaktisch zulässig und auch juristischer Alltag, dass eine Partei die Flucht in die Säumnis antritt. Dies mag vielleicht ärgerlich erscheinen. Ist aber nicht verwerflich. Der Flucht in die Säumnis muss aber nicht tatenlos entgegengesehen werden. Es sind ebenfalls prozesstaktische Mittel möglich. Von diesen sollte insbesondere dann Gebrauch gemacht werden, wenn eine Prozessverschleppung in einem Kündigungsschutzprozess vermieden werden soll.
Antrag auf Entscheidung nach Lage der Akten
Wenn der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist, kommt eine Entscheidung nach Lage der Akten in Betracht. In diesem Fall ist es möglich bei Entscheidungsreife tatsächlich kurzfristig ein Endurteil zu erwirken. So wird nicht nur einer Verschleppung entgegengewirkt. Die gegnerische Partei erhält somit auch keine weitere Möglichkeit ihre Fristversäumnisse zu heilen.
Wann ist eine Entscheidung nach Aktenlage vor dem Arbeitsgericht möglich
Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Entscheidung nach Aktenlage möglich ist, hängt von weiteren Faktoren ab. Die Arbeitsgerichte urteilen hier unterschiedlich.
Nach § 251a Abs. 1 ZPO kann ein Urteil nach Aktenlage ergehen, wenn in einem Termin beide Parteien nicht erscheinen oder nicht verhandeln. Dabei ist nach § 251a Abs. 2 ZPO weiter erforderlich, dass in einem früheren Termin mündlich verhandelt worden ist.
Vor dem Arbeitsgericht beginnt die mündliche Verhandlung nach § 54 ArbGG „vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien (Güteverhandlung)“. Hier werden in der Regel keine Anträge gestellt.
Nach den allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung (ZPO) beginnt die mündliche Verhandlung hingegen mit stellen der Anträge (§ 137 ZPO).
LAG Baden-Württemberg: Antrag auf Entscheidung nach Lage der Akten möglich
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.03.2020 – 17 Sa 11/19) hat in einem Fall entschieden, dass eine Entscheidung nach Lage der Akten zumindest nach § 331a, 251a ZPO möglich war.
Nach § 331a Satz 1 Halbsatz 1 ZPO kann eine Partei beim Ausbleiben der anderen Partei im Termin zur mündlichen Verhandlung statt den Erlass eines Versäumnisurteils eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragen. Weitere Voraussetzung ist die hinreichende Klärung des Sachverhalts für eine solche Entscheidung. Nach dem Verweis der Vorschrift auf § 251a ZPO muss zudem in einem früheren Termin mündlich verhandelt worden sein.
Das LAG Baden-Württemberg sah die Erörterung der Sach- und Rechtslage in der Güteverhandlung als ausreichend an. Das LAG Baden-Württemberg stellte sich offen gegen anderslautende Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte (vgl. LAG Bremen 25. Juni 2003 – 2 Sa 67/03 – Rn. 27 ff.; LAG Hamm 4. März 2011 – 18 Sa 907/10 – Rn. 36 ff.; LAG Hessen 10. November 2015 – 15 Sa 476/15 – Rn. 31 ff.; LAG Köln 10. April 2018 – 4 Sa 1024/16 – Rn. 52 f.). Diese vertreten in den Entscheidungen die Auffassung, dass ein Gütetermin keine mündliche Verhandlung im Sinne des § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO darstelle.
Das LAG Baden-Württemberg begründet seine Entscheidung treffend mit dem Hinweis auf bestehende Unterschiede in den Sachverhalten. In dem zu entscheidenden Fall war die Beklagte nicht zu dem Termin erschien. In den anderslautenden Entscheidungen war es hingegen der Kläger, der nicht zu dem Termin erschien. Dies macht einen entscheidenden Unterschied. Denn die klagende Partei ist bei Säumnis der beklagten Partei nicht gehindert ihre Sachanträge zu stellen. Zudem stellt das LAG zutreffend auf den Wortlaut des § 54 Abs. 1 ArbGG ab. Hiernach beginnt die Verhandlung bereits mit der Güteverhandlung. § 54 ArbGG ist eine spezialgesetzliche Regelung. Im Gegensatz zu dem allgemeinen Zivilprozess kommt es im arbeitsgerichtlichen Prozess nicht auf die Antragsstellung an.
Bei vorliegen der Voraussetzungen hat das Arbeitsgericht nach Lage der Akten zu entscheiden, wenn der Kläger dies beantragt. Das Arbeitsgericht hat keinen Ermessensspielraum. Um die bestehenden Unsicherheiten unterschiedlicher Rechtsprechungen abzufangen, sollte der Kläger mit hilfsweisen Anträgen reagieren. Es käme daher der Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage und hilfsweise der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils in Betracht. Somit kann aktiv versucht werden einer Prozessverschleppung aktiv entgegenzuwirken.